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Das langsame Aus der kommunalen Vergnügungsteuer auf Tanzveranstaltungen

Auf Initiative der LiveKomm beschloss der Deutsche Bundestag im Mai 2021 einen Entschließungsantrag, den alle demokratischen Parteien befürworteten und in Folge dessen eine Novellierung zur baurechtlichen Einstufung von Musikclubs einforderten (Punkt 9.: „, dass die Bundesregierung die Baunutzungsverordnung dahingehend anpasst, dass Clubs und Livespielstätten mit nachweisbarem kulturellen Bezug nicht mehr als Vergnügungsstätten, sondern als Anlagen für kulturelle Zwecke definiert werden;“).

Der Beschluss beinhaltet mit dem Punkt 6. auch eine Aufforderung an die Kommunen, derzufolge die Abgeordneten es für erforderlich halten, „dass sich die Kommunen im Rahmen der Stadtentwicklung auch mit den Anforderungen von Clubs auseinandersetzen; hierbei könnte durch die Gemeinden bei der Festlegung der Umnutzung von Gebäuden auch die Nutzung durch Clubs geprüft werden.“ Zudem wurde gewürdigt, dass Clubs einen „erheblichen Beitrag zum gesellschaftlichen und kulturellen Leben und zur Entwicklung lebendiger funktionsgemischter Städte und Gemeinden leisten“.

Neben einer hoffentlich baldigen Aufwertung im Baurecht, scheint auf kommunaler Ebene eine sekundär erhoffte Wirkung zu beobachten. Einige Kommunen, in denen eine Vergnügungssteuer auf Tanzveranstaltungen Geltung hatte, passen diese Verordnungslage nach und nach an. Jedoch muss dies jeweils einzeln in den Kommunen besprochen, entschieden und vollzogen werden.

Im Internet finden sich einige Fälle, die öffentlich zugänglich sind und in einer Übersicht aufzeigen, wo, wann und wie die Anpassungen erfolgten. Die folgende Auflistung beansprucht keine Vollständigkeit zeigt aber durchaus einen gewissen Trend, der sich derzeit mit einem Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen verorten lässt. Aber auch erste Kommunen in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Baden-Württemberg gehen diesen Weg, die Musikclubs finanziell zu entlasten und damit einen Teil zur Stärkung der lokalen Clubkultur leisten.

KommuneBundeslandDatum / StatusQuelleVolumen
SchwerinMecklenburg-Vorpommern
März 2024: Eine deutliche Mehrheit der Schweriner Stadtvertretung entschied, Tanzveranstaltungen von der Abgabe zu befreien. Damit folgte die Stadtpolitik einem SPD-Antrag, der die ersatzlose Streichung der Vergnügungssteuer für „entgeltpflichtige Tanzveranstaltungen“ vorschlug. Die Verwaltung argumentierte indes für eine Fortführung. Gemäß der Vergnügungssteuer-Satzung wurden zuvor 20 Prozent des Eintrittspreises oder eine Pauschale, die von der Größe der Tanzfläche abhängt, von der Stadt erhoben.https://schwerin-lokal.de/schwerin-schafft-tanzsteuer-ab/

https://www.youtube.com/watch?v=XW7oIdxcpIw

SchwerteNordrhein-WestfalenDer Rat der Stadt Schwerte hat am 20.03.2024 eine Vergnügungssteuersenkung in Sachen Tanzveranstaltungen beschlossen: Von 22 auf 15 Prozent ist der Hebesatz zum 1. April 2024 gesunken.https://www.ruhrnachrichten.de/schwerte/schwerte-feiert-frank-neuenfels-vergnuegungssteuer-ue30-party-rohrmeisterei-w864214-2001161189/
OsnabrückNiedersachsenAuf Vorschlag der Oberbürgermeisterin im Januar 2024 soll die Tanzsteuer abgeschafft werden. Gleichzeitig sollte die Erhöhung der Spielautomatensteuer beschlossen werden. Über den Ausgang dieses Verfahrens liegen keine Informationen vor.https://www.hasepost.de/vergnuegungssteuer-osnabrueck-tanzen-automaten-438865/Allgemeine Tanzveranstaltungen brachten der Stadt Osnabrück zuletzt eine jährliche Vergnügungssteuer von rund 360.000 Euro pro Jahr. Gesamtvolumen lag 2023 bei 4,6 Millionen Euro.
KleveNordrhein-WestfalenStreit um Vergnügungssteuer löste Änderungsbeschluss im Januar 2024 aus. Tanzsteuer wurde daraufhin abgeschafft.https://www.antenneniederrhein.de/artikel/soundbox-fuehrt-wieder-veranstaltungen-in-kleve-durch-1911651.html
DuisburgNordrhein-WestfalenSatzungsänderung des Stadtrats erfolgte im Februar 2024. 20% der Ticketeinnahmen von Tanzveranstaltungen gingen an die Stadt.https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/duisburg-schafft-vergnuegunssteuer-ab-100.html„Aktuell gibt es neun Unternehmer, die wiederkehrend Tanzveranstaltungen durchführen.“ Somit sei auch der Steuerausfall überschaubar: Im vergangenen Jahr brachten die Partys nur noch 80.000 Euro Vergnügungssteuer ein.
DortmundNordrhein-WestfalenDer Rat der Stadt Dortmund entschied in seiner Sitzung am 14. Dezember 2023 einen Wegfall der Vergnügungssteuer auf Tanzveranstaltungen ab 2024. In den vergangenen Jahren war die Vergnügungssteuer auf Tanzveranstaltungen bereits ausgesetzt worden.https://www.dortmund.de/newsroom/nachrichten-dortmund.de/stadt-dortmund-will-auf-vergnuegungssteuer-fuer-tanzpartys-verzichten.html2022: 1.740 €
DüsseldorfNordrhein-WestfalenDüsseldorf hat die Vergnügungssteuer in einer Neufassung der entsprechenden Steuersatzung reformiert. Seit dem 1. Januar 2023 werden keine Abgaben mehr für das Tanzen in Clubs, Bars und Diskotheken fällig. Dafür traten höhere Abgaben für Glücksspielautomaten in Kraft.https://www.duesseldorf-wirtschaft.de/wirtschaft/duesseldorf-reformiert-die-vergnuegungssteuer/2022 aus Tanzveranstaltungen: 87.000 €; 8,7 Millionen Euro insgesamt
BochumNordrhein-WestfalenIm Dezember 2023 wurde beschlossen die Erhebung der Vergnügungssteuer für gewerbliche Tanzveranstaltungen in 2024 auszusetzen und schließlich ganz abzuschaffen. Zur Deckung der Einnahmeausfälle wurde die Steuer für Geldspielgeräte von 5,5 Prozent auf 6 Prozent erhöht.https://www.radiobochum.de/artikel/vergnuegungssteuer-in-bochum-abgeschafft-1850701.html
Ein Verzicht auf einen Anteil von etwa einer Viertelmillion Euro aus der Vergnügungssteuer musste daher zwingend durch einen Deckungsvorschlag kompensiert werden.
UlmBaden-WürttembergLange war Ulm die einzige große Stadt in Baden–Württemberg, die die Clubbetreiber bei Tanzveranstaltungen noch zusätzlich zur Kasse bat. Im Juni 2023 beschloss der Hauptausschuss die Abschaffung zum 1. Juli.https://www.schwaebische.de/regional/ulm-alb-donau/ulm/als-letzte-grosse-stadt-ulm-will-steuer-aufs-tanzen-abschaffen-1701559in der Zeit vor der Pandemie bei gerade einmal 50.000 Euro
LeverkusenNordrhein-WestfalenAuf CDU-Antrag folgte der Stadtratsbeschluss „auf die Festsetzung von Vergnügungssteuer für Tanzveranstaltungen rückwirkend ab 1. Januar 2023 – hilfsweise ab Januar 2024 – zu verzichten.“https://rp-online.de/nrw/staedte/leverkusen/stadt-leverkusen-aendert-vergnuegungssteuer-ue-30-party-laeuft-wieder_aid-102562055
BraunschweigNiedersachsenClubs müssen ab 1. April 2022 keine Vergnügungsteuer mehr zahlen. Auch wurde auf die Erhöhung der Steuersätze für Spielgeräte ohne Gewinnmöglichkeit verzichtet, obwohl diese zur Haushaltsoptimierung empfohlen worden war.https://regionalheute.de/braunschweig/vergnuegungsteuer-fuer-diskos-und-clubs-faellt-ab-april-weg-braunschweig-1645193639/

EssenNordrhein-WestfalenBeschluss im Juli 2021: rückwirkend zum 01. Januar die Vergnügungssteuer auf Tanzveranstaltungen komplett abzuschaffen. Sie richtete sich an der Raumgröße und es gab einen Aufschlag, wenn die Veranstaltung über ein Uhr nachts hinausging.https://www.waz.de/staedte/essen/article232681533/Essener-Stadtrat-macht-das-Tanzvergnuegen-kuenftig-steuerfrei.htmlEinnahmen von zuletzt 157.000 Euro im Jahr 2019; Spielhallen und Pornokinos erbrachten Einnahmen von rund 7,5 Millionen Euro
Schloß Holte-StukenbrockNordrhein-WestfalenDie Tanzsteuer wurde 2020 abgeschafft. Die Stadt verzichtet seitdem auf diese Steuer, die im 19. Jahrhundert eingeführt wurde. Das beschloss der Haupt- und Finanzausschuss mit den Stimmen von CDU und FDP.https://www.westfalen-blatt.de/owl/kreis-guetersloh/schloss-holte-stukenbrock/tanzsteuer-abgeschafft-90830910.000 Euro aus der Tanzsteuer – bei einem Aufwand von 1000 Euro.

Die Argumente und Ziele der politischen Beschlüsse ähneln sich dabei teilweise stark:

1. Im Gegensatz zu Tanzveranstaltungen ist in der Regel bei Kulturveranstaltungen wie z.B. Konzerten, bei denen Künstler:innen auf der Bühne auftraten, keine Vergnügungssteuer fällig. Aufgrund der Vielfalt von Aufführungen und Darbietungen, ist eine Trennschärfe, wann es sich um eine „reine Tanzveranstaltung“ handele, nicht mehr vorhanden und die Grenzen fließend. So veranstalten beispielsweise DJs wie Musikbands Konzerte, auf denen natürlich auch getanzt wird, ohne dass es sich um eine Tanzveranstaltung im Sinne der Vergnügungssteuer handelt. Spätestens seit dem dem viel beachteten Urteil des Bundesgerichtshofs, dass Techno Kultur ist, ist hier ein Umdenken in der Einstufung erkennbar.

2. Steuerlich standen diese Programmpunkte von Clubs und Veranstaltern mit kulturellem Anspruch, die dabei deutlich Künstler:innen und deren Musik in den Vordergrund stellen, bisher auf einer Ebene mit Spielhallen, Erotikmessen, Striptease- und Peepshows, was “aus der Zeit gefallen” und ein „Relikt aus alten Tagen“ sei.

3. Häufig soll „ein wichtiges und richtiges Signal gesendet werden, dass diese Clubs auch als Kulturbranche gebraucht werden.“

4. Die Form der Steuererhebung verursacht in der Verwaltung und bei den Steuerpflichtigen auch einen nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Abgabe stand somit vermehrt in Frage. So begrüßt z.B. der Bund der Steuerzahler NRW die Abschaffungen: „Wir plädieren schon seit Jahren dafür, Bagatellsteuern wie diese abzuschaffen. Das Aufkommen von Bagatellsteuern deckt meist nicht einmal den Verwaltungsaufwand für ihre Erhebung.“

5. Mit den steuerlichen Erleichterungen sollen auch die Nachwirkungen der Corona–Pandemie bekämpft und eine Wettbewerbsverzerrung vermieden werden.

6. Zudem ist die Erhebung der Steuer nicht ohne Risiko, denn Veranstalter gehen immer wieder gerichtlich gegen Bescheide vor, weil die Grenze zwischen Vergnügungs- und Kulturveranstaltung nicht klar gezogen ist. Somit entlastet dieser Schritt auch die Gerichte.

7. Letztlich gilt es, Anreize für Veranstalter:innen zu schaffen, „sich wieder stärker in der Stadt zu engagieren und Veranstaltungen dieser Art durchzuführen“,das Nachtleben der Stadt für jüngere Menschen attraktiver zu gestalten und damit auch die Lebensqualität vor Ort zu steigern.

Es ist zu hoffen, dass weitere Kommunen, in denen noch Tanzsteuern erhoben werden, diesen Beispielen möglichst bald folgen werden.
Teilt uns gerne in den Kommentaren mit, wo noch derartige Steuern erhoben werden!

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