Bauministerium verschriftlicht Skepsis zur geplanten Einstufung von Musikclubs als Anlagen kultureller Zwecke
In dem Prozess, um eine angemessene Einstufung von Musikclubs mit nachweisbar kulturellem Bezug im Städtebauchrecht wird weiter um Deutungshoheit gerungen. Jüngste Station der Auseinandersetzung zwischen ministerieller Fachebene und der Branchen-Vertreter:innen der Club- und Festivalbranche sind die Verschriftlichungen von Argumentationen zu einer Expertengesprächsreihe im Bundesbauministerium.
Hintergrund
In Vorbereitung für eine weitere Novellierung der städtebaurechtlichen Grundlagen, insbesondere des Baugesetzbuchs (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO), hat das Bundesbauministerium (BMWSB) von Februar bis Juni 2023 eine Experten-Gesprächsreihe veranstaltet, die vom Deutschen Institut für Urbanistik gGmbH (Difu) organisiert und durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Gespräche sollen wesentliche Erkenntnisse für die weitere Erarbeitung des Gesetzes liefern. Der vollständige Ergebnisbericht kann hier abgerufen werden.
Am 10. Mai 2023 fand im Rahmen der vierten Fachtagung innerhalb des Themenkomplex „Baunutzungsverordnung“ ein 90 minütiger Austausch zur Frage der Zulässigkeit von Clubs und Livemusik-Spielstätten statt. Nach einem Input des vom Difu ausgewählten Experten Dr. Jürgen Stock, MR a.D., dessen Vortrag ist ab Seite 176 dokumentiert, hatte die LiveKomm als einzig geladene Verbandsvertretung der Kultur Gelegenheit in einem Wortbeitrag eine kurze Replik zu formulieren.
Einseitige Dokumentation
Der Ergebnisbericht fasst ab Seite 76 den Austausch u.a. wie folgt zusammen und verschriftlicht die Argumentation der ministeriellen Fachebene:
„Insgesamt zeigten sich die Teilnehmenden gegenüber dem Vorschlag, Clubs unter Anlagen für kulturelle Zwecke zu fassen, überwiegend skeptisch. Man dürfe den städtebaulichen Begriff der kulturellen Nutzung nicht mit einem allgemeinen Verständnis von Kultur vermischen. Der städtebauliche Kulturbegriff verfolge andere Zwecke. In der BauNVO gehe es vor allem um die Vereinbarkeit von verschiedenen Nutzungen in einem Gebiet und die Lösung von Nutzungskonflikten. Man könne keine soziale Akzeptanz von Musikclubs über das Baurecht schaffen. Die Würdigung solcher Einrichtungen als wichtiger Beitrag für das gesellschaftliche Zusammenleben müsse an einer anderen Stelle erfolgen. Was nach dem rein städtebaulichen Erscheinungsbild derzeit wegen der damit verbundenen Lärmstörungen als Vergnügungsstätte eingestuft werde, könne man nicht einfach als Anlage zu kulturellen Zwecken umetikettieren. Die Frage, ob die aktuelle Typisierung als Vergnügungsstätte noch zeitgemäß sei, sei zwar berechtigt. Angesichts der sehr unterschiedlichen Ausformungen, brauche man aber unterschiedliche Typisierungen und Differenzierungen auch für Clubs und Livemusik-Spielstätten, um Nutzungskonflikte zu vermeiden.“
In der Einführung des Berichts wird angeführt, dass der vorliegende Band „die vorgetragenen Argumente in ihrer ganzen Bandbreite dokumentiert.“ An diesem Punkt ist festzuhalten, dass das Fachgespräch ebenso einseitig dokumentiert wurde, wie es nahezu bei der personellen Zusammensetzung gestaltet wurde. In dem LiveKomm-Wortbeitrag wurde u.a. als Argument angeführt, dass die Vermeidung von Nutzungskonflikten im Planungsrecht ein Scheinargument sei. Denn auch bei einer Anpassung der BauNVO, die Musikclubs künftig als Anlagen für kulturelle Zwecke einstuft, würde jede Genehmigung die Zulässigkeit von Musikclubs in Wohngebieten des Vorhabens gemäß einer Schallimmissionsprognose voraussetzen. Die Wahrung der nachbarlichen Rechte wäre damit (weiterhin) gewährleistet.
Es ist unrealistisch, davon auszugehen, dass ein Musikclub mit einer Kapazität von bis zu 2.000 Personen in einem Wohngebiet genehmigungsfähig wäre. Davon abgesehen, dass kaum ein/e Clubbetreiber:in auf die Idee kommen würde, sich mit einem entsprechenden Genehmigungsantrag freiwillig derart viel Ärger einzuhandeln.
Es existiert keinerlei Automatismus in der Genehmigungspraxis. Die Zulassung und die Bestandsprüfungen von Betriebserlaubnissen verbleibt weiterhin Einzelfallsentscheidungen der kommunalen Behörden. Bei Verstößen erfolgen auch in Zukunft behördliche Auflagen und Einschränkungen.
Neben diesem Wortbeitrag gab es auch weitere kritische Stimmen, die den Impuls von Dr. Jürgen Stock widersprachen und andere Auffassungen in die Runde transportierten und in dem Ergebnisbericht nicht festgehalten wurden.
Ausblick
Der Koalitionsvertrag beinhaltet den politischen Auftrag, Musikclubs mit nachweisbar kulturellem Bezug in der Form einen kulturellen Wert beizumessen, in dem diese als Anlagen kultureller Zwecke im Städtebaurecht definiert und eingestuft werden.
Es zeichnet sich mit den Aufzeichnungen des Fachgesprächs bereits ab, dass der Regierungsentwurf aus dem Bauministerium dieses Ziel nicht adäquat verfolgen wird. Die Auseinandersetzung zwischen gewählten Volksvertreter:innen, die als Gesetzgeber fungieren und der Verwaltung geht vermutlich im parlamentarischen Verfahren in die nächste Runde. Nach einer Verbändeanhörung und einer Länderabstimmung im Bundesrat ist mit einem Ergebnis vermutlich nicht vor Sommer 2024 zu rechnen.